Steuersenkung von Union und FDP verfassungswidrig 

Der Verwaltungsrechtler Joachim Wieland hält die Steuersenkungspläne von Union und FDP für verfassungswidrig. Denn die von der jetzigen Großen Koalition beschlossene und ins Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse zwinge den Staat, steuerliche Mehreinnahmen zur Schuldentilgung statt für Steuerentlastungen einzusetzen. Gerade diese Gelder für Steuerentlastungen verwenden zu wollen, sei daher "verfassungsgemäß ausgeschlossen". Das sagte er in einem Interview mit "Welt Online".

Schuldenbremse verhindert Steuersenkungen

Der Schuldenbremse zufolge darf sich der Bund ab dem Jahr 2016 in Zeiten normaler Wirtschaftsaktivitäten (Konjunktur) nur bis zu einer Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verschulden. "Der Bund muss also bis Ende 2015 einen verfassungsgerechten Haushalt aufstellen, mit einem Defizit von maximal 0,35 Prozent", sagte Wieland.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rechne aber bereits jetzt bis 2013 mit einer Nettokreditaufnahme von 310 Milliarden Euro. Unter diesen Bedingungen seien Steuersenkungen, wie sie Union und FDP nach ihrem Sieg bei der Bundestagswahl einführen wollen, "völlig irreal".

Steuersenkungen müssen gegenfinanziert werden

Auch der Berliner Verfassungsrechtlers Ulrich Battis hält die Steuersenkungsversprechen von Union und FDP mit den neuen Schuldenregeln im Grundgesetz für nur schwer vereinbar. "Wer Steuern senkt, wird eine Gegenfinanzierung anbieten müssen", sagte der auf Verfassungsrecht spezialisierte Rechtswissenschaftler an der Humboldt-Universität im Interview mit "Welt Online".

Ab 2011 muss Bund mit Schuldentilgung beginnen

Daher müssten entweder Ausgaben an anderer Stelle gestrichen oder alternative Steuern erhöht werden. Kreditfinanzierte Steuersenkungen widersprächen hingegen dem Grundsatz der neu eingeführten Schuldenbremse. Nach Ansicht von Battis müsse der Bund schon ab 2011 verstärkt die Tilgung der Schulden vorantreiben.

Die Argumentation von Union und FDP, dass die Bürger aufgrund von Steuersenkungen mehr konsumieren würden, daher die Konjunktur anspringe und der Staat vermehrt Steuern einnimmt, hängt nach Meinung des Verfassungsrechtlers von vielen Unwägbarkeiten ab. Es handele sich um nicht mehr als eine "vage Hoffnung" und sei deshalb ein "ungedeckter Wechsel auf die Zukunft".